GravelKing Reutte
Das CycleCafe-Team-Tannenhof (Reutte, Österreich) hatte für den 20.-22.05.2022 zum Schotterfest eingeladen. Natürlich konnte das CycleCafe-Team-Wodantal diese Einladung nicht ausschlagen und reiste mit einer kleinen aber feinen Delegation an. Lisa, Holger und Tobias (Gravel-Team) machten sich auf den Weg nach Österreich.
Alles fängt mal klein an
Am Freitag 20.05. stand am Nachmittag zunächst eine kleine Gravelrunde zur Akklimatisierung auf dem Programm. Angeführt von Harry (Obmann des lokalen Radclubs) wurde die nähere Umgebung „präsentiert“. Die Sonne lachte vom Himmel und die Temperaturen waren sommerlich. Spontan wurde am Heiterwanger See der Anker geworfen. Schnell hatten die ersten sich spontan der Radschuhe und anderer Utensilien entledigt und sprangen mutig in den glasklaren, aber auch sehr kalten Bergsee.
Ein gewisser Gruppenzwang machte sich breit, so dass auch die noch zögerlichen Beckenrandschwimmer ganz freiwillig 😊 hinterher sprangen. Erfrischt wurde die Runde fortgesetzt, wobei natürlich noch ein kleiner Boxenstopp auf der Terrasse der MusterAlpe am Plansee eingelegt wurde, was offensichtlich für die Locals zur geliebten Gewohnheit gehört.
Die Tour endete am frühen Abend nach einer schönen Abfahrt wieder am Hotel Tannenhof.
Mit scharfem Auge
Nun stand die nächste Herausforderung auf dem Programm: Gravel-Biathlon. Aufgeteilt in drei Teams wurden die Gäste des Schotterfestes per Staffel auf die Runde geschickt. Es galt einen recht steilen, aber kurzen Cyclocross-Parcours rund um das Hotel zu meistern. Der ein oder andere hatte zu wenig Schwung in den steilen Kurven und fiel um wie eine Bahnschranke. Auf der Runde lag dann auch der Schießstand. Hier galt es mit dem Lasergewehr die Zielscheiben „umzulegen“. Ein Riesenspaß für die Teilnehmer und Zuschauer. Der restliche Abend klang chillig aus. Wobei der Gedanke an den nächsten Tag bei dem ein oder anderen für etwas Puls sorgte.
24 Stunden + 250 km + 3900 Hm = GravelKing
Denn am Samstag 21.05. stand er nun auf dem Plan, der GravelKing. Es galt innerhalb von 24 Stunden drei Gravel-Loops zu absolvieren, die in Summe eine Strecke von rund 250 km und 3.900 hm ausmachen sollten. Der Wetterbericht am Vortag prognostizierte nur etwas Regen am Vormittag, gegen Mittag sollten die Wolken der Sonne zunehmen den Platz frei machen. So schlief man ein. Allerdings wurde man nachts immer wieder vom trommelnden Regentropfen auf der Fensterbank geweckt. Um 4 Uhr vibrierte die Smartuhr – Zeit aufzustehen, denn um 5 Uhr sollte es losgehen. Nur vier wagemutige (Lisa, Franzi S., Holger und Tobias) ließen sich vom regnerischen Wetter nicht abschrecken und machten sich nach einem kurzen Frühstück auf den Weg, auf zur Krone.
Der Anfang wird gemacht
Der erste Loop dämmerte noch so vor sich hin, während wir die ersten Kilometer auf dem geliebten Schotter hinter uns brachten. Die Flaschen waren da noch gut gefüllt, allerdings unsere Schuhe waren es nun leider auch. Die Regenjacken sorgten dafür, dass der kühle Fahrtwind nicht allzu sehr an der Moral knabberte.
Vorbei am mystisch aus den Nebelschwaden hervorschauenden Schloss Neuschwanstein spulten wir fleißig Kilometer für Kilometer ab. Entlang von Bachtälern und über Almlandschaften bahnten wir uns den Weg, getrieben von der Aussicht auf besseres Wetter und vor allem von unserer guten Stimmung. Nur ein unschöner Zwischenfall störte kurzweilig die Gruppendynamik. Holger lud sehr unsportlich seinen Akku an einem Weidezaun auf. Aufgrund seines fortgeschrittenen Alters tolerierte die Gruppe den Zwischenfall und die Reise ging weiter. Irgendwann erreichten wir wieder das Lechtal und das Hotel. 80 km und 800 hm waren im Sack.
Für Quereinsteiger
Gestärkt durch ein gutes Frühstück ging es in den zweiten Loop. Die Gruppe erweiterte sich um zwei Quereinsteiger. Franzi F. und Mario waren nun mit von der Partie. Die Wolken hatten wohl ihr überschüssiges Wasser auf uns abgeladen, so dass nur noch eine geschlossene Wolkendecke die Sonne aussperrte. Hier und da konnte man am Himmel aber erkennen, dass die Sonne es wohl bald schaffen wird. Wir rollten entspannt das Lechtal hoch und bogen in das Hornbachtal ab. Dieses fuhren wir bis zum bitteren Ende durch. Als es mit unseren Gravelbikes nicht mehr weiter ging führte uns der Track wieder talabwärts. Die Sonne hatte nun ihre Kraft spielen lassen und die Wolkendecke in Stücke gerissen. Der Lech wurde überquert und Schotterwege schlängelten uns oberhalb des Flusses das Tal hinab. Schon bald erreichten wir wieder das Hotel. Weitere 90 km und 1000 hm lagen nun hinter uns.
Alle guten Dinge sind drei
Der Tannenhof stärkte uns mit Pasta und Kuchen. Energie die wir wohl auch brauchten. Denn nun stellte sich uns Loop 3 in den Weg. Und dieser sollte es in sich haben. Aber nach wie vor war die Stimmung in der Truppe prächtig und somit fühlten wir uns so, als ob uns nichts mehr stoppen kann. Also ging es mit den Messern zwischen den Zähnen weiter. Wir verließen die Lechtaler Alpen Richtung Osten und arbeiteten uns an einem langen und anstrengenden Anstieg oberhalb von Berwang ab.
Die Kräfte schwanden nun zusehends. Die anschließende Abfahrt war natürlich ein Genuss aber in Erwartung der noch vor uns liegenden Strapazen hielt sich die Euphorie bei uns allen etwas in Grenzen. Unten im Tal erreichten wir Lermoos und ein fantastischer Blick auf die Mieminger Kette und das Wettersteingebirge ließen uns einen Moment innehalten. Nun bogen wir nach Norden ab. Entlang der Loisach ließen wir weitere Kilometer hinter uns.
Jetzt wurde es ernst!
Bei Tageskilometer 219 war dann aber Schluss mit lustig. Ab nun ging es wieder berghoch und zwar rund 20 km lang. Insgesamt 30 Kilometer waren es noch bis ins Ziel. Und somit trösten wir uns ständig gegenseitig damit, dass die letzten 10 Kilometer nur noch bergab gingen. Das funktionierte. Motiviert schraubten wir uns Höhenmeter für Höhenmeter auf den Schotterwegen nach oben. Die Abendsonne flutete im flachen Winkel die Landschaft mit orangenem Licht. Es war wunderschön. Plötzlich standen wir bei Kilometer 236 quasi in einer Sackgasse. Der Wirtschaftsweg endete. Da, da soll es weiter gehen fragten wir uns?
Ein schmaler, steiler und verblockter Trampelpfad hatten uns die Erschaffer dieser Runde in die ToDo-Liste geschrieben. Gut dachten wir uns, wenn das dazu gehört eine Queen bzw. ein King zu werden, dann werden wir das auch noch schaffen. Mühsam trugen wir unsere Räder einen Kilometer lang quer durch eine Schlucht bis wir wieder auf einen fahrbaren Forstweg stießen. Wir dachten nun das Schlimmste geschafft zu haben, denn der Weg führte uns mit erträglichen Steigungswinkeln den Berg weiter hinauf. Doch hinter einer Kurve standen wir dann auf einmal vor ihr. Eine Wand, deren Ende nicht zu erahnen war. Die ganz Ambitionierten unter uns versuchten noch gegen die Steigung anzukommen. Doch nach wenigen Metern war Schluss. Jenseits der 25% schoben wir nun ganz langsam Schritt für Schritt, wie bei einer Besteigung des Mount Everests, unsere Bikes in Richtung Himmel. Aber auch diese harte Nuss war dann irgendwann geknackt. Jetzt waren es nur noch 1000 Meter und 100 Höhenmeter bis zur Dürrenberg Alm auf 1.439 m. Die Dämmerung war angebrochen, als wir die Hütte erreichten. Erschöpft genossen wir das abendliche Panorama, zogen die Jacken an und stürzten uns in die lange Abfahrt.
YES, wir hatten es geschafft
Um ca. 21:30 Uhr war es soweit, der Tannenhof tauchte am Ende Straße auf. YES, wir hatten es geschafft – 240 km und 3.700 hm waren bezwungen. Die Gäste und Freunde des Tannenhofs bereiteten uns einen frenetischen Empfang. Lisa und Franziska wurden zu GravelQueens und Holger und Tobias zu GravelKings gekrönt unter dem Jubel der anwesenden Radsportenthusiasten.
Ich möchte Lisa, Franzi S. und Holger danken. Danken dafür, dass wir dieses verrückte Ding gemeinsam erlebt haben. Einige der durchlebten Situationen werden ich nie vergessen.
Franzi F. und Mario will ich natürlich ebenfalls Danke sagen. Auch ihr habt ganz schön auf die Zähne gebissen und wart sehr wertvolle und sympathische Leidensgenossen.
Was mir sehr nachhaltig in Erinnerung bleiben wird ist die unglaubliche Gastfreundschaft die Vicky und Thomas von Hotel Tannenhof uns entgegengebracht haben. Dafür sage ich tausendmal Danke!
Aber auch die „einheimischen“ Freunde des Tannenhofes haben mal wieder bewiesen: Radfahrer sind einfach nette Menschen. Harry, an Dich auch einen besonderen Gruß. Die Tour am Freitag war spitze und es war eine Freude Dich kennenlernen zu dürfen.
Tobias Trepmann